Donnerstag, 15. März 2012

Agressionspotential

Radkurier


Ich bin eigentlich ein recht ausgeglichener Mensch. Ich bin höflich und freundlich und kann mich benehmen.

Ausser, ja ausser Sie setzen mich in einer Großstadt aufs Fahrrad. Ich fahre ja nicht zum Vergnügen, so wie mein Mann, sondern um von A nach B zu kommen. Dabei entwickle ich Fahrradkurier-Mentalität. Gestern hatte die Liebreizende in der nächstgelegenen Großstadt einen Termin. Ich hatte 75 Minuten Zeit um zum Bioladen zu kommen, einzukaufen und zurück. Leider war das Geschäft am ganz anderen Ende und ich entschloss mich mein Rad dafür zu verwenden.
Fehler.
Ganz ganz böser Fehler.

Nach zwei Minuten wich ich einer Oma aus, die ohne zu kucken über die Straße schlich.
Nach vier Minuten fuhr ich frustriert hinter zwei Studentinnen mit Hollandrädern hinterher, die ich nicht überholen konnte, aber die hatten ja auch alle Zeit der Welt.
Nach sechs Minuten legte ich eine Vollbremsung hin, als ein Mercedes einfach so, ohne Blinker vom Straßenrad über MEINE Fahrradspur los fuhr. Meine Bremsen quietschten, mein Hinterrad hob sich von der Straße und ich brüllte ein lautes und hob meinen Mittelfinger. Genau vor einer Ampel an der gerade mindestens 30 Leute standen, von denen einer mir nachrief: "Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf, junge Frau!"

Ich hätte ja gerne was entgegnet, aber ich heizte ja dem Mercedes hinterher, der eindeutig schneller war.
An der Ampel erwischte ich ihn dann. Mittelaltes Ehepaar, unschuldiger Blick. Die hatten das noch nicht mal mitbekommen. Ich starrte sie böse an. Sie wichen entsetzt zurück.
Ich fuhr weiter.

Zurück schob ich dann über weite Strecken mein Rad.
War sicherer.
Für alle.


Und, wie fahren Sie so Rad?

11 Kommentare:

  1. loooooooooooooooooooooooooooool
    Großartig. Der Perspektivewechsel im Straßenverkehr ist klasse. Als Fahrradfahrer hat man Fußgänger und Autofahrer als Feindbild. Als Fußgänger (vor allem mit Kindern an der Hand) sind es vor allem die Fahrradfahrer und Autoraser.
    Und als Autofahrer hasst man alle, Fußgänger, Radfahrer, andere Autofahrer, Lkw-Fahrer, Motorradfahrer, sich zwischen den Fahrstreifen durchmogelnde Roller. . . *lach*

    AntwortenLöschen
  2. In der Großstadt... nur auf gekennzeichneten Radwegen und auch nur in die richtige Richtung. Die Richtung ist wichtig, das merkt jeder, der auf der falschen Seite fährt - spätestens dann wenn eine Horde Radfahrer im Affenzahn entgegenkommt.
    Ich bin meist sehr zügig unterwegs und hoffe immer, dass die Autos bei Seitenstraßen auch wirklich anhalten und mich nicht vom Rad schubsen...

    Großstadtdschungel...

    Liebe Grüße
    Nicole

    AntwortenLöschen
  3. Liebste Frau Lieblingsstücke,
    ich musst gerade so lachen. Ich fahre täglich Rad und Mittelfinger und Fluchwörter sind auch täglich im Einsatz. Und das gerne!
    LEIDER.

    Denn schleichende Omas, trödelnde Orientalistikstudentinnen und Mercedesse scheint es in jeder Klein- oder Großstadt zu geben.

    Besonders beliebt ist mein wild abknickender Arm, der den Autos hinter mir ( sehr zur belustigung meines Freundes) mitteilen soll: Achtung hier komme ich und ich biege ab!

    Liebste Grüße sendet eine Mitleiderin!

    AntwortenLöschen
  4. Gestern bin ich fast überfahren worden. Der Mann hat nicht gesehen, dass die Fußgängerampel ebenfalls grün zeigte und nicht nur seine "Autoampel". Dann beschimpfte er mich auch noch und behauptete, ich sei bei rot gefahren... Nicht immer liegt es an uns Radfahrern ... wie bei Dir ja auch. Schuld sind meist (finde ich ) die anderen, die einem das Radfahren verleiden!
    Liebste Grüße, Nina

    AntwortenLöschen
  5. Hihi….das mit dem Mittelfinger *grins*..
    "du fährst ha schon beinah so Fahrrad wie ein richtiger Niederländer"..sagte mein Mann vor einem halben Jahr zu mir..als ich im
    vollen Tempo drei Touris auswich, zwei rote Amplen "übersah" und dabei auch noch locker mit ihm ein Gespräch folgen konnte…
    In der Heimat fahre ich ja kein Fahrrad mehr…auch besser so…, denn dort hätte man mich wahrscheinlich schon umgefahren..denn hier haben fietsers
    Vorrang *lach*
    Groetjes,
    Maren

    AntwortenLöschen
  6. Darum ziehe ich es auch i.d.R. vor auf das Fahrrad zu verzichten... ist mir zu gefährlich! =0

    AntwortenLöschen
  7. Gerne fahre ich. Und ich halte mich an Regeln. Und finde es seltsam, wenn andere (meistens "Radler") das nicht tun (vom Gehweg auf die Straße ohne zu gucken, Spurwechsel ohne zu gucken, kein Richtunganzeigen beim Abbiegen, Ampeln missachten, ...) und ärgerlich, wenn Autofahrer sich nicht dran halten und mich deswegen gefährden.

    Was mich beim Überholen in 30 cm immer aufmuntert, ist der Gedanke, dass die Kerle in den Karren also 30 cm für 1,50 m halten und was sie dann noch alles für Längen falsch einschätzen... ;)

    AntwortenLöschen
  8. ....ich bin die Oma mit dem Hollandrad.
    Grüße aus Bonn,verängstigt
    Sie fahren aber nicht bei uns am Rhein,oder?!

    AntwortenLöschen
  9. Vortrefflich beschrieben!
    Aus dem Grund fahre ich in der Stadt lieber mit dem Auto und schimpfe auf die Radfahrer... *hüstel*

    (Aber keine Angst, auch über mich meckern die Leute. Ich bin rauchende Hundebesitzerin, gaaaanz schlechte Kombination! Gleicht sich also wieder aus!)

    Liebe Grüße
    Britta

    AntwortenLöschen
  10. Frau Bonnerin, nein, es war nicht am Rhein und es war auch keine Oma mit dem Hollandrad vor mir ;)

    /und nur fürs Protokoll: ich halte mich eigentlich immer an die Regeln ;)/

    AntwortenLöschen
  11. ähnlich - ich nenne es "offensiv", mein Freund "wie eine gesengte Sau" - aber immer absolut regelgerecht! Und in der Nähe von überforderten Autofahrern und vor sich hinträumenden Fussgängern (nur was Motorenlärm macht, wird wahrgenommen...) - also immer - mit der Hand an der Bremse.
    antje

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.